Belgiens Beste
Schokolade ist in unserem Nachbarland ein Kulturgut. Kaum woanders wird sie in so großer Vielfalt und Qualität hergestellt. Die Nähe zu Deutschland ist dabei ein Vorteil, um sie genießen zu können, unterwegs, als Souvenir, in der Küche oder zum selber machen
Seien wir doch mal ehrlich. Wenn zu einer Tasse Kaffee ein zartes Täfelchen leckerste Schokolade oder eine knuffelige Praline beigelegt wird, wonach greifen wir dann wohl zuerst? Der betörende Duft der Schokolade lässt einen kaum los. Kein Wunder, denn ihre besondere Qualität erhält Edel-Schokolade vor allem durch ausgesuchte, beste Zutaten, einen hohen Kakaoanteil und die reine Kakaobutter. Dabei haben längst auch exotischere Aromen ihren festen Platz. Ein Hauch von Zimt, Veilchen, Jasmin, Earl Grey oder Minze legt sich bereits beim Entblättern der Täfelchen und Öffnen der Pralinenschachtel sanft an die Nase, eine Ouvertüre, die sich am Gaumen als opulentes Naschwerk fortsetzt.
Die belgischen Schokoladenboutiquen sind derart festlich arrangiert, als sei eigentlich immer Weihnachten. Behutsam, mit weißen Handschuhen befördert Madame die köstlichen, zarten Stückchen aus der kunstvoll komponierten Pyramide in ihre orangefarbene Schachtel, dem „Ballotin“ (auch von einem Belgier – Jean Neuhaus – erdacht), je eine Schicht Pralinen sorgfältig auf einer goldfarbenen Einlage arrangiert. Mit gekonntem Handgriff wird das Ballotin nun durch eine Schleife verziert und – voilà – fertig ist ein Geschenk der verführerischen Art. Belgien und Schokolade, das ist eine jahrhundertelange, köstliche Liaison. Man findet 1635 in den Archiven der Abtei von Baudeloo in Gent Hinweise darauf, dass Schokolade gekauft wurde und als Geschenke diente. Der erste Schokoladenhersteller in Frankreich, David Chaillou, wird erst 1659 genannt.
Schokolade mit Opium
Eine kleine Anekdote: Henri Escher, Bürgermeister von Zürich, trinkt seine erste Tasse Kakao auf der Grand´Place in Brüssel. Er ist von dem Getränk so begeistert, dass er das Rezept in die Schweiz exportiert. 1735 ist im „Journal des amusements“ zu den Badekuren von Spa zu lesen, dass die Gäste einer Tafelrunde der nach dem Mahl servierten Trinkschokolade ein wenig Opium beigemischt haben, um einen lästigen Gast loszuwerden: Beim anschließenden Ball konnten sie den Störenfried leicht beiseite schaffen. In diesem 18. Jahrhundert, der Zeit der Aufklärung, schreibt Karl von Lothringen dem Hof der österreichischen Niederlande den Verzehr von Schokolade vor, die er selbst allzu gerne isst.
Ein Dutzend Schokoladen-Fabrikanten lassen sich während der Regierungszeit Leopold I. nieder, wie zum Beispiel Joveneaux und Delannoy in Tournai ( 1847 – 1848 ) oder Neuhaus und Senez-Sturbelle in Brüssel ( 1857-1860 ). Im 20. Jahrhundert erreicht dann die belgische Schokoladenherstellung ihre Hochphase. Mindestens fünfzig Schokoladenfabrikanten zählt das Land zu Beginn des Jahrhunderts. Die Firmen Kwatta in Bois d`Haine, Bruyerre in Gosselies, Aiglon, Clovis und Jacques in Verviers, Antoine und Victoria in Brüssel sowie Gloria in Vaulx-sur-Escaut begründen den internationalen Ruf der belgischen Schokolade. Denn in der belgischen Produktion gelten bereits strenge Maßstäbe. Die heutigen Meister dieses Metiers, Designer des Geschmacks, Ästheten der Essenzen und Magier der kreativen Sinne, müssen sicherstellen, dass sie die Kakaobohnen bei genau der richtigen Temperatur rösten, die Ganache von Hand verarbeiten und schließlich eine Praline mit dem perfekten Mundgefühl herstellen.
Aktuell gibt es mehr als 320 Chocolatierläden in Belgien, einige der Konfektkünstler haben es zu Weltruhm gebracht und unterhalten Boutiquen auf verschiedenen Kontinenten: Neuhaus, Godiva, Marcolini, Mary, Del Rey, The Chocolate Line by Dominique Persoone, Belcolade, Leonidas, Daskalides, Corné Port Royal, Guylian, Café-Tasse, Galler, Newtree, Dolfin, Starbrook Airlines, Belvas, Chocolat Essentiel, Chocolaterie Delvaux, Didier Smeets, Renardy, Laurent Gerbaud, Benoit Nihant, Zaabär, Van Dender, Chocolatier Dumon, Debailleul, Wittamer, Darcis, Chocolatier M, Charlemagne…, um nur einige zu nennen.
Belgische Schokolade ist einzigartig
Die Struktur der belgischen Schokolade ist minutiös und wird besonders fein gemahlen. Belgische Schokolade hat einen höheren Kakaoanteil als die meisten vergleichbaren internationalen Produkte. Und die Zauberformel schlechthin heißt: reine Kakaobutter. Belgische Schokolade enthält 100 Prozent Kakaobutter. Alles beginnt bei der Auswahl der Bohnen. Traditionell verwenden belgische Schokoladenhersteller nur hochwertige Kakaobohnen, die die Besten der Besten direkt vor Ort etwa in Lateinamerika von ausgesuchten kleinen Kakaoanbauern einkaufen. Zu ihnen gehört der Lütticher Benoît Nihant. Er ist weltweit einer von nur rund fünfzehn so genannten „Cacaoféviers“, die Schokolade von Beginn an, von der gerösteten Bohne bis zum Riegel, selbst herstellen und eben nicht mit herkömmlicher fertiger Kakaomasse.
Neben ihm glänzt ein weiterer „Cacaofévier“, der frisch gebackene Pâtissier-Weltmeister 2020, Pierre Marcolini, ein Stern am internationalen Schokoladenhimmel. Das unglaublich gute Cœur Framboise ist seit dem Jahr 2000 das Wahrzeichen des Hauses. Eine fein abgestimmte und delikate Kreation, ein rotes Himbeerherz mit Schokofüllung und einer sanften Note von Zitronenschale. Im Jahr 2007 wurde der „Belgische Schokoladen-Code“ entwickelt. Dieser Code stellt sicher, dass belgische Schokolade tatsächlich aus Belgien kommt. Belgien und Schokolade, das geht nicht ohne die Erfindung, die 1912 die „Welt der Schokolade „grundlegend“ veränderte: Die Praline. Sie ist Jean Neuhaus zu verdanken, der seine Produktionsstätte 1857 an der Königin-Galerie in Brüssel errichtete, wo noch heute das Stammhaus residiert.
Unendlich fantasievoll
Die Praline gibt hunderten von kleinen Handwerksbetrieben Gelegenheit, Neuerungen einzuführen und phantasievolle Naschereien zu erfinden. Im Jahr 1935 schuf Maurice Corné die „Manon Sucré“,die mittlerweile ein fester Bestandteil des kulturellen Erbes Belgiens ist. Die Manon Sucré ist eine köstliche Praline, die die Geschmeidigkeit von Sahne mit knackigem Nougat und dem Geschmack von frischen Walnüssen verbindet. Mit seinem eigens für die Rolling Stones angefertigten Chocolate-Shooter hat sich Dominique Persoone im wahrsten Sinne des Wortes in die oberste Liga der flämischen Genusshandwerker katapultiert. Sie kreierte Puffreiskugeln, umhüllt mit Zartbitter, weißer und Vollmilchschokolade mit Karamell aus gesalzener Butter. Sie verband Vollmilchschokolade mit L’Exclu, dem Bier von Trooz zu einer Bierpraline. Und da ihre Fantasie grenzenlos ist, fabriziert Laura Sgarito nahe Lüttich auch Pralinen mit Wein, Cuberdon Bonbons, Lütticher Sirup, Lacquement (süße Waffel) oder einer Prise Salz. Am 24. April 1883 registrierte Charles Neuhaus die Marke Côte d’Or. Eine belgische Ikone war geboren.
Mit Schokolade lässt sich fein kochen, nicht nur bei Desserts. Jean Galler war hier ein Pionier. Vor rund 35 Jahren begann die unvergleichliche Erfolgsgeschichte einer kleinen Firma, die in Vaux-sur-Chèvremont bei Lüttich Schokolade in handwerklicher Tradition herstellt. Jean Galler setzte schon früh auf Innovationen etwa beim Kakaogehalt (70%) seiner 23 Schokoriegelsorten. Er präsentierte eine Schokoladensuppe, damals eine schier verrückte Idee, oder der Salat mit geräuchertem Lachs an einer Vinaigrette von weißer Schokolade und Kräutern, heute wohl kaum noch als exotisch betrachtet. 2008 lässt er beim Sortiment „volcanique“ – Schokolade als Geschmacksexplosion mit Sichuan-Pfeffer und Espelette-Chili verfeinern ebenso die „marines“ – Schokolade mit exotischer Note durch schwarzes Salz aus Hawaii, Fleur de Sel oder französischen Wakame-Algen. Seine Serie von Katzenzungen, die er mit dem arrivierten Designer Philippe Geluck entwickelte, ist einmal mehr Zeichen für die unglaublich vielfältige Fantasie belgischer Choclolatiers, die bis heute ungebrochen ist. Ein Tipp: Schokoladenkreationen lassen sich zuhause recht unkompliziert selbst herstellen.
Schokolade selbst kreiert
Für 1 Portion: 100 Gramm Studentenfutter oder Mischungen aus getrockneten Früchten und Nüssen (Pistazien, Mandeln, Cashew, Rosinen, Beeren, Haselnüsse…), 400 Gramm pure (Tafel) Schokolade z.B. Bitterschokolade (60-70% Kakaoanteil), 1 Teelöffel grobes Meersalz
Zubereitung:
- Eine etwa 40 × 20 cm große Metallplatte oder das Backblech mit Frischhaltefolie auslegen.
- Die Schokolade über dem Wasserbad schmelzen lassen. Wenn sie vollständig geschmolzen ist, die Schokolade auf die Platte streichen. Dann mit den (grob gehackten) getrockneten Früchten und den Nüssen bestreuen, sowie das Meersalz hinzufügen. Alles abkühlen lassen, bis die Schokolade schön hart geworden ist.
- Die Schokolade dann großzügig in Stücke brechen und zu einer guten Tasse Kaffee genießen.